Wildcampen, Freistehen oder doch zum Campingplatz?

Wildcampen, Freistehen oder doch zum Campingplatz?

Der Sonne hinterher.

Ist man mit dem Camper unterwegs, so ergeben sich schier unendliche Möglichkeiten. Ich stelle mir gerne vor, dass ich ins Auto steige und einer der vier Himmelsrichtungen entgegen fahre. Oder ich schaue spontan in meine Wetterapp und fahre der Sonne hinterher. Das ist für mich das Sinnbild vom unterwegs sein mit dem Camper. Vanlife vom Feinsten. Die Realität sieht heutzutage jedoch vor allem im zentraleuropäischen Raum etwas anders aus. Diese Freiheit loszufahren und stehen zu bleiben, wenn man müde ist oder wenn’s einfach schön ist, ist Vergangenheit. Das Nächtigen im Auto ist mittlerweile vielerorts verboten. Einerseits haben lokale wirtschaftliche Interessen und das Verwaltungsgesetz eine tragende Rolle gespielt. Andererseits haben sich Individuen schlichtweg nicht einem grundlegendem Anstand entsprechend aufgeführt. Da hagelt es Verbote.

Vanlife vom Feinstern.

Was ist der Unterschied zwischen Wildcampen und Freistehen?

Eine allgemein gültige oder rechtlich anerkannte Definition gibt es nicht. Der eine Ordnungshüter würde sagen, dass das Aufschlagen eines Zeltes im Wald Wildcampen ist. Der andere klopft “Wildcamper” nachts aus Ihrem Bulli und verteilt das Knöllchen. Freistehen beschränkt sich bei Campingenthusiasten jedoch nur auf das Schlafen im Gefährt auf vier Rädern. Und eben das ist in der Regel nicht gewünscht oder gar verboten. Das Hauptargument hierbei liegt im Verwaltungsrecht, da in Europa eine Meldepflicht mit Wohnsitz besteht – und dies ist mit dem beweglichen Camper-Objekt ganz entgegen dem Motto „Home is where you park it“ eben nicht gegeben. Kommen wie in Deutschland zum Beispiel noch die Strassenverkehrsordnung hinzu, so kann man immerhin „zur Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit“ eine Nacht im Auto schlafen. In anderen Ländern jedoch ist es regional unterschiedlich geregelt oder gleich komplett verboten. Während die Durchsetzung des Verbots im weniger touristischen Italien niemanden interessiert, so soll es in Kroatien schon zur Beschlagnahmung von Fahrzeugen gekommen sein. Daher ist es hier enorm wichtig sich vor jeder Reise ausreichend mit den regulatorischen Vorgaben zum Wildcampen / Kampieren / Freistehen auseinanderzusetzen.

Freiheit ist nun mal….nicht gleich Freiheit.

Warum macht man es sich denn so schwer und geht nicht auf den Campingplatz?

Wir sind schon auf einigen Campingplätzen abgestiegen. Die Campingplätze der Welt rangieren zwischen Parkplatz mit Toilette bis hin zu 4-Sterne-Sauna mit Gourmet-Restaurant. Es ist tatsächlich für jeden Geschmack und auch Geldbeutel etwas dabei. Aber für mich persönlich hat der Campingplatz nur Sinn gemacht, wenn ich ein konkretes Ziel hatte, wie Gleitschirmfliegen am Lac de Annecy, Mountainbiken im Vinschgau oder Klettern am Gardasee. Das heisst, wenn ich geplant hatte in einer Region länger zu verweilen, dann möchte man nicht jeden Tag alles hin und her räumen müssen. Lieber geniesse ich dann den Luxus von fliessend Wasser sowie WLAN und teile mir mit den Nachbarn einen Grill. In der Regel „reisen“ wir jedoch bzw. reisen durch. Jeden Tag suchen wir uns ein neues Abenteuer und sind unterwegs. Wenn man eine Mehrseillänge mit 12 Seillängen plant, da nützt der beste Campingplatz in 50 km Entfernung nichts. Der Luxus morgens aufzustehen und einfach loszumarschieren ohne erstmal zu fahren, ist Vanlife pur. Auf der anderen Seite ist in den letzten Jahren der Ansturm auf die Campingplätze stark gewachsen. Auf der einen Hand ist dies vom Standpunkt der Tourismusentwicklung mega, dass das mitunter verpönte Camping wieder neue Fans gewonnen hat. Auf der anderen Hand sind die Campingplätze einfach voll. Und ich meine voll voll im dem Sinne, dass ich Wochen, wenn nicht Monate vorher die Parzelle reservieren muss. Damit geht meine Flexibilität dem Wetter hinter herzufahren regelrecht flöten und da bleibt manchmal nichts anderes übrig, als nachts die Fahrtüchtigkeit wiederherzustellen.

Die Sonne ist noch nicht über den Berg, aber wir müssen schon zum Klettern los.

Legalität und Stealthcamping

Wie vorher schon erwähnt ist das Freistehen also nirgends so richtig legal. Wenn dann bewegt man sich in einer ziemlich dunklen Grauzone. Vor allem haben praktisch Apps zwar vielen, unter anderem auch uns, sehr geholfen auf der Durchreise ein stilles Plätzchen zum Übernachten zu finden. Jedoch sind die wilden Camper so auch noch mehr ins Auge der Gesetzeshüter gerückt. Regional, zum Beispiel im Lechtal, sind mittlerweile sogar ganze Einsatzteams unterwegs, um die illegalen Freisteher zu jagen. Da muss man jedoch sagen, dass es gerade in diesen Regionen einfach zu viel ist. Wenn ein Camper irgendwo unauffällig im Eck steht, stört sich wohl niemand dran. Wenn ein Parkplatz im Naturschutzgebiet jedoch einem vollbelegten Campingplatz ähnelt, habe ich auch wenig Freude daran. Daher bleibt an der Stelle nur zu Hoffen, dass die Eigenverantwortung der Menschen endlich zu tragen kommt und das Fass nicht endgültig überläuft.

Ich wette da stehen noch mindestens drei weitere Camper…

Gemeinden in der Bringschuld

Mir ist aufgefallen, dass in Gemeinden, wo es Campingplätze gibt, öfters Verbotsschilder gibt, als in Gemeinden ohne. Inwiefern da Lobbyismus eine Rolle spielt, darüber kann nur spekuliert werden. Was jedoch Fakt ist, dass vielen Gemeinden natürlich im Gegensatz zu einer gemeldeten Übernachtung die Kurtaxe entgeht und man oft das Argument hört, dass Camper „kein Geld dalassen“. Mit Sicherheit wird der Reisende mit einem vollausgestatteten Camper weniger Umsatz generieren, als der Hotelgast mit Vollpension. Aber was ich mich frage, wieso man sich nicht einfach den Spatz in der Hand nimmt und für alle Gäste ein Angebot bereit hält. In Italien gibt mittlerweile in vielen Kleinstädten kostenfreie legale Camper-Parkplätze, die zum Teil sogar Wasser und Sanitäranlagen anbieten. Da geht man abends doch gerne noch eine Pizza essen und gönnt sich auf den vollen Magen einen Absacker. Im Schwarzwald  stellt man einfach eine Parkuhr auf dem sonst kostenfreien Parkplatz auf, so dass der Kampierende entsprechend legal unterwegs ist. So wie man nach einer anfänglichen Skepsis gegenüber Bikern auch „Motorradfahrer willkommen“-Schilder aufgestellt hat, so hoffe ich, dass die Gemeinden nicht nur Verbote ausschreiben, sondern auch das Potenzial im freien Campingtourismus erkennen.

Wir sind auf der Durchreise, kein Campingplatz weit und breit. Was soll man sonst tun?

Wer Recht will, muss auch Pflichten erfüllen

Ohne, dass ich hier jetzt den Moralapostel mimen will, aber Jungs und Mädels da draussen: Leave nothing but footprints! Ich habe das Gefühl, dass der Campingtourismus in Europa derzeit auf der Kippe steht. Durch die schiere Masse an Urlaubern in Freizeitreisemobilen ist unsere Infrastruktur und Lokalpolitik etwas überfordert. Da kann ein Reiskorn schon mal den Schmetterling ins Aus hauen. Daher ist es umso wichtiger sich an grundlegende Anstandsregeln zu halten. Haltet Euch an die lokalen Gesetze. Achtet der Naturschutzgebiete. Respektiert die Anwohner in der unmittelbaren Umgebung. Macht keinen Radau. Vor dem Auto fängt nicht Euer Wohnzimmer an. Lasst keinen Müll da. Kippt Euer Schwarzwasser gefälligst nicht weg nur weil keiner guckt! Es wäre zu schade, wenn ein paar wenige schwarze Schafe es dem Rest der freiheitsliebenden Camperfreunden versalzen würden.

Na dann gute Nacht 🙂

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