Kann man einen Camper ökologisch ausbauen?

Kann man einen Camper ökologisch ausbauen?

Anders gefragt, was heisst «ökologisch» überhaupt?

Wir hatten in letzter Zeit eine Anfrage wie „ökologisch unser Filz“ sei und „kann man einen Camper ökologisch ausbauen“? Dazu konnte ich die Rückmeldung geben, dass dieser immerhin nicht aus China kommt, sondern in Italien produziert wird. Aber auch wenn dieser speziell für den Automotive-Bereich hergestellte Filz (schwer entflammbar) aus Polypropylen ist und durch die gute thermische Verwertung gut recyclebar wäre…so richtiges Öko-Marketing wird damit nicht betrieben, denn wer wird den Camper schon „rezyklieren“!?

Richtig guter Filz!

„Das Richtige“

Die berechtigte Frage regte mich dennoch zum Nachdenken an, da auch eine alte Bekannte mittlerweile scheinbar inquisitorisch gegen Plastik vorgeht. Stichwort „müllfrei“ oder es gibt kein Foto für dich. Der Trend zum Öko-Vegan-Holyspirit-Earthporn ist mehr als spürbar. Und ich bin hin und her gerissen. Einerseits, stehe ich absolut hinter jeder Massnahme weniger zu konsumieren, nachhaltiger zu leben und «das Richtige» tun. Andererseits bin ich pragmatisch und ziehe immer recht nüchtern die Realität, die Effektivität und Effizienz der jeweiligen Massnahme in mein Meinungsbild ein. Und da treffen zwei Welten aufeinander. Denn das was sich ökologisch anfühlt, ist nicht immer ökologisch. Und auch die wohl ökologischsten Gesten sind nichtig, wenn man als Teil einer Prozesskette grundsätzlich das Ergebnis seines Tuns nicht final beeinflussen kann.

Zwischenfazit: es wird also nicht so einfach werden die Frage nach der Ökologie sachgerecht zu beantworten. Doch ich versuche es mal. Zu aller erst muss man bei dem Thema unterscheiden zwischen Ökologie beim Ausbau eines Campers und der Ökologie beim Campen generell oder dem Nutzen eines Campers. Zweitens, läuft man schnell Gefahr das Kriterium Ökologie über einen Kamm mit Nachhaltigkeit, «Bio» , Fairtrade, 100 % natürlich, ethisch korrekt und wie die ganze «greenwashed» Marketing-Hitparade auch heissen mag, zu scheren.

Greenwashing für eine Milliarden-Dollar-Industrie

Ökologischer Filz?

Ok, wir leben auch vegetarisch, kommen aus den Bergen meistens mit mehr Müll zurück, als wir mitgenommen haben, und verfolgen das Prinzip „weniger ist mehr“. Und jetzt zurück zum eingangs erwähnten Beispiel: aber ökologischer Filz im Camper? Ist das wirklich was, oder nur der oberflächliche Versuch eine verwackelte Idee von Ökologie zu befriedigen?

Ökologischen Filz den gäbe es tatsächlich. Denn schliesslich ist der künstliche Filz nichts als ein Abklatsch der seit Jahrhunderten bekannten gewalkten Wolle. Diese ist ein nachwachsender Rohstoff (Schafe und so), mit exzellenten Wärmedämmeigenschaften und entsprechend auch biologisch abbaubar. Doch bei einer kleinen Recherche lernte ich auf die kleinen und feinen Unterschiede zwischen den Buzzwords zu achten. Ökologisch, natürlich, biologisch, nachhaltig…Denn preislich ist ein «natürlicher» Carpetfilz aus Wolle überraschenderweise nicht astronomisch viel teurer als böser «synthetischer» PP-Filz. Da frage ich mich jedoch nur: wie kann das so günstig sein?

Synthetisch, praktisch, gut?

Natürlich ist auch das schwarze Gold…

Da wurde ich stutzig. Beworben wird der Wollfilz mit „natürlich“ und nicht ökologisch. Und wie ich schon gelernt habe ist natürlich nicht gleich ökologisch. Dazu kommt, dass eigentlich keiner der beiden Begriffe unbedingt den ethischen Aspekt in der Wollindustrie abdeckt. Denn auch wenn Schurwolle „natürlich“ ist, so ist die Haltung der Tiere und das daraus resultierende Tierwohl nicht immer so natürlich. Ganz im Gegenteil. Und vor allem bei der Herkunft der Wolle gibt in der Regel eher wenig Marketing…Vielleicht weil keiner die natürliche Realität wissen wollen würde? In meinem Gedankengang komme ich an der Stelle also nicht wirklich weiter. Man hänge mich gerne auf dem Dorfplatz, aber was ich weiss, ist, dass ich vielleicht doch lieber PP-Filz verklebe. So muss ich mir keine Sorgen um das vollumfängliche Paket von natürlich und ökologisch und ethisch und pipapo machen. Und das Teufelchen auf der anderen Schulter flüstert nur ganz ketzerisch: ist Erdöl per se nicht auch natürlich?

Natürlich ist die Schurwolle und was ist mit dem Rest?

Ökologie als Herausforderung des Verbrauchers

Und wo wir schon beim Thema Kleben. Angenommen ja, man hat jetzt seinen Filz aus 100 % Schurwolle von glücklichen Schafen. Wie kriege ich den jetzt ökologisch an die Karosserie des Campers? Naja, natürlich wäre vielleicht ein Knochenleim, aber müssten die tierischen Abfälle zum Auskochen dann bio sein? Haltbarkeit, ideas anybody? Ne, so geht das wohl doch nicht. Besser ist es zum Kontaktkleber zu greifen…und der Lösemittelfreie (VOC-Gehalt) mag im ersten Moment wieder Balsam für die Seele sein, aber spätestens, wenn zum ersten Mal die Sonne das Fahrzeug küsst, kommt einem die Filzdecke entgegen. Finale Massnahme: handelsüblicher Sprühkleber mit Lösemitteln, Aerosolen und der feinen Alubüchse.

Na gut, dann ist die Innenverkleidung nur semi-öko. Immerhin besser als nichts. Und weiter geht die lustige Fahrt zur Elektrik…oh, Lithium oder Blei, beides so ziemliche ökologische Spielverderber. Silizium für die Solarzelle? Pfui, was für eine verheerende Ökobilanz. Dann vielleicht wenigstens das Holz? Na gut, in der Regel holzt man ja nur die schönen Wälder in Rumänien ab und die brauchen das Geld? Und ich bin noch nicht mal beim Antichrist angekommen: Diesel!

Fazit meiner Kontemplation: es wird richtig schwierig, eigentlich unmöglich, einen ökologischen Camper zu bauen. Auch mit Schönreden und viel Wohlwollen. Jeder Versuch ist am Ende irgendwie nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Das sind keine erfreulichen Nachrichten, aber leider die unschöne Wahrheit.

Ist Campen denn wenigstens ökologisch?

Am liebsten würde ich schreien: Ja ja ja. Doch jedes Ja ist gefolgt von einem ja, aber oder ja, wenn. Ja, wenn man statt All-Inclusive-100-Meter-Buffet-Hotelurlaub auf Malle mit dem Camper unterwegs ist, ist das mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ökologischer. Ja, aber hat man erst gar kein Auto, stattdessen jedoch ein Generalabo für die Bahn, um damit zu den „Ferien auf den Bauerhof“ zu fahren. Dann wird das wieder ökologischer als der Roadtrip in einem Camper. Nun hat man aber den Camper, aber das ist so ein cooler alten LT ohne Kat und Partikelfilter und treibt den in der Sommerhitze die alte Gotthard-Passstrasse rauf. Das ist wohl auch keine wirklich ökologische Konsumentscheidung. Der Rückschlüuss wäre fast zu sagen: ein modernes Fahrzeug ist ökologischer als ein altes Fahrzeug. Ahh…aber auch da werde ich mir nicht mit mir selbst einig. Ja, im direkten Vergleich von lokalen Emissionen, ist das Fahrzeug nach State of the Art „ökologischer“. Doch nutzt man das grosse neue Fahrzeug eigentlich nur in den Sommerferien zwei Wochen lang zum Campen und sonst nur als „Fahrzeug“, dann wäre der Kleinwagen daheim und der Camper zur Miete vielleicht doch die bessere Idee. Und auch alte Fahrzeuge sind per se nicht unökologisch. Denn der Wert ist ja da, nur mag uns die Werbung glauben lassen, wir bräuchten etwas neues, besseres und vor allem e-kologischeres! Ja, aber in Georgien sind Autos mit 250.000 km auf dem Tacho fast noch jungfräulich und vielleicht entspricht eine lange Nutzungsdauer im gewissen Masse einer ökologischen Verwertung der Ressourcen?

Unterwegs ist auch mal eine Reparatur fällig…

Viele Fragen. Keine Antworten.

Viele Fragen, keine Antwort. Abseits von Nachhaltigkeit, Natürlichkeit oder die Bio-Avoacdo aus der Region, bleibt die Ökologie beim Camper letztendlich eine Sache der Auslegung und des Blickwinkels. Jeder sollte tun, was er kann und für richtig hält, wenn er es für wichtig hält. Was jedoch bei keiner Entscheidung fehlen sollte ist der gesunde Menschenstand, ein ordentlicher Faktencheck sowie eine gesunde Portion Skepsis gegenüber Greenwashing-Marketingstrategien: There´s no Business like Show Business.

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